Einst war der Gardasee des deutschen Mountainbikers Lieblingsziel. Doch mit den Jahren haben Sölden, Serfaus und Co dem Lago den Rang abgelaufen. Keine Flowtrails, nur Kamikazetouren und keine Lifte sowieso. Daumen runter, sagen die einen. Und dann gibt es die eingefleischten Fans, die dem See seit vielen Jahren die Stange halten: Essen, Klima, Lifestyle – das Gesamtpaket paßt eben. Und Trails die kaum einer kennt, gäbe es zur Genüge.
Gibt es sie wirklich, die unbekannten Trailjuwelen am Gardasee? Wir waren mit drei Locals auf ihren Geheimtipps unterwegs.
Text und Fotos: Markus Greber | Veröffentlicht: 25.04.2025
Wenn Sven Erger und seine Frau Melanie freitags zu ihrem Lieblingsplatz am Gardasee fahren, können sie sich an der Ausfahrt Rovereto Süd ein Grinsen nicht verkneifen. Während sich hier regelmäßig die Kolonne staut, weil halb Süddeutschland Richtung Torbole und Riva, den südlichsten Vororten Münchens, abbiegt, wechselt Sven auf die linke Spur und drückt beherzt auf die Tube. Um dann, nach 30 Kilometer freier Fahrt die Ausfahrt Affi zu nehmen. Von hier ist es nur ein Katzensprung nach Pai, einem kleinen pittoresken Nest am Südhang des Monte Baldo. „Hier ist es einfach nicht so steil wie auf den Kamikaze-Klassikern 601 & Co. im Norden”, sagt Sven. „Das macht die Trails flowiger. Und das Beste: Man trifft außer ein paar Locals kaum Mountainbiker” Und wenn, dann seien das echte Genießer, und keine grölende Shuttle-Horden mit Downhillbikes und Fullface-Helmen.
„Ein echtes Südseeparadies“
Melanie Maier
Es ist Anfang Mai, als wir uns, neugierig von Svens Schwärmereien, zu einer Tour in seinem Lieblingsdomizil verabredet hatten. So waren wir dem Trubel des Bike Festivals, der wahrscheinlich größten Zweirad-Kirmes der Welt, Richtung Süden entkommen. Als Mountainbiker kennt man die Gegend nur vom Hörensagen. Etwa als im Frühjahr 2023 die deutschen Zeitungen voll waren mit Horrormeldungen und den entsprechenden Bildern, der Gardasee würde austrocknen.
Heute steht der Wasserstand schon seit Wochen auf Rekordhoch und der südliche Gardasee glitzert friedlich in der Frühlingssonne. Links die Touristen-Hochburgen Bardolino und Lazise, rechts streckt sich die schmale Halbinsel von Sirmione Richtung Norden, als wolle sie den See in zwei Hälften teilen. Dahinter verliert sich die Poebene im Dunst. „An klaren Tagen sieht man bis Venedig“, schwärmt Sven, während wir uns über einsame Schotterwege und Sträßchen in den ersten Stock des Monte Baldo-Massivs schrauben. Wir passieren San Zeno, folgen Sven über ein Labyrinth an Trail- und Waldwegen und wühlen uns schließlich auf einem steilen Karrenweg Richtung Dosso Buca Pomar, einem unscheinbaren Vorgipfel des Monte Baldo, der auf den meisten Karten nicht einmal eingezeichnet ist.
Im Try and Error Verfahren habe er die Gegend hier nach tauglichen Trails durchforstet, erzählt Sven und knetet scheinbar mühelos die nächste Steilpassage hoch. Während wir, beruhigt ob des vollen Zweitakkus im Rucksack, längst den Turbo aktiviert haben, gönnt Sven seinem Light Assist-Orbea gerade mal den Eco-Modus. „1700 Höhenmeter hat die Tour, normalerweise habe ich danach noch halb voll, grinst der durchtrainierte 52jährige. Trotzdem hätte es erst das E-MTB überhaupt möglich gemacht, „aus diesem riesigen Trail-Netzwerk im Süden des Gardasees die Sahnestückchen herauszufiltern und in sinnvoller Reihenfolge wieder zusammenzusetzen”.