Cortina d´Ampezzo

HERZENSANGELEGENHEIT

Zwei Mountainbiker vor den Cinque Torri im Sonnenuntergang

Cortina d´Ampezzo ist umringt von den prominentesten Dolomitengipfeln. Gefehlt haben bisher nur spannende Trails. Doch der Ort in den Belluneser Dolomiten hat neue Verbindungen geschaffen und eröffnet damit auch für Enduro-Biker ganz neue Horizonte.

Text und Fotos: Markus Greber | Veröffentlicht: 23.12.2024

Hier war die Welt vor nicht allzu langer Zeit noch in Ordnung. 1909 wurde die große Dolomitenstraße eingeweiht, auf der wir uns gerade, kurz vor dem Valparolo-Paß, hochkämpfen. Diese touristische Verbindungsroute feierte man international als eine der wichtigsten Ingenieurprojekte des neuen Jahrhunderts. Doch jetzt, acht Jahre später, spielt sich inmitten einer der schönsten Berglandschaften der Welt, eines der grausamsten Szenarien der Neuzeit ab.

Wir schreiben das Jahr 1917. Vor zwei Jahren hatte Italien dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich den Krieg erklärt. Seitdem tobt hier oben ein unerbittlicher Stellungskrieg. Vergeblich versuchen die italienischen Alpini, sich von Süden her über den Paß Zugang zum Gadertal und ins strategisch wichtige Pustertal zu verschaffen. Doch das Artillleriefeuer der österreichischen Kaiserjäger, die sich auf dem Gipfel des kleinen Lagazuoi links über uns und am gegenüberliegenden Hexenstein verschanzt haben, hatten bisher alle Pläne zunichte gemacht. Die Österreicher hatten die strategisch bessere Position. Und weil mit konventioneller Kriegsführung auf beiden Seiten keine Fortschritte zu erreichen waren, war man zu einer neuen, besonders perfiden Strategie übergegangen. Man bohrte teils kilometerlange Stollen in den Fels, unterhöhlte die feindlichen Stellungen um diese mit irrwitzigen Sprengungen in die Luft zu jagen.

Zwei Mountainbiker machen Pause auf der Fanes Hochebene. Im Hintergrund die Dolomiten.
Ein Biker fährt eine Steilkurve im Bikepark Cortina

Zwei Biker in einer Steilkurve im Bikepark Cortina

Bikerin streichelt Esel an der Großen Fanes Alm

Zwei Biker machen Rast an einem Bergbach

Bikerin im Abendlicht in Cortina d'Ampezzo

Bikerin in Cortina d'Ampezzo

Es ist der 20. Juni, als eine gewaltige Explosion die Luft erzittern läßt. Die Staubwolke über der Südflanke des Lagazuoi ist so groß, daß sie die Sonne verdunkelt. Im Umkreis des Valparolo-Passes prasseln riesige Felstrümmer zu Boden. Die Italiener hatten sich in sechs Monaten durch den Fels gebohrt und knapp unter der österreichischen Stellung in 2668 Metern Höhe 33 Tonnen Dynamit gezündet. Eine weitere Explosion reißt mich aus dem Tagtraum. Auf den alten Militärwegen in den Dolomiten laufen in meinem Hirnkino oft solche Kriegsszenarien. Die Mischung aus Faszination und Grusel schwingt hier immer mit. Heute wirkt der Film besonders real. Eine schwarze Gewitterfront schiebt sich bedrohlich über den Lagazuoi, und der Donner hallt zwischen den mächtigen Felswänden.

Wir hatten an diesem Tag von Cortina aus die Tofana umrundet, die Fanes-Hochebene durchquert und bereits 1500 Höhenmeter in den Beinen. Die Fanes-Tour- ist eigentlich die Hausrunde des kleinen Örtchens St. Vigil am Kronplatz. Landschaftlich wunderschön, aber ohne großen Trailanteil. Von Cortina aus – so unser Plan – läßt sich die Schleife mit einer 1000 Tiefenmeter-Enduroabfahrt zurück nach Cortina kombinieren. Auf diesen Leckerbissen hatte sich vor allem Maxi, Fahrtechnikexperte und ehemaliger Enduro-Profi, gefreut. Jetzt sieht es allerdings so aus, als würden wir auf der Abfahrt ganz schön nass werden.  Auf dem Valparolo-Paß passieren das zerbombte Sperrfort „Tre Sassi“ und die riesigen Schotterhalden, die heute noch von der Sprengung am 20. Juni 1917 zeugen. Kurz darauf fädeln wir am Falzarego-Paß in den Trail ein. Das Sahnestück der Tour liegt vor uns, während uns das Gewitter von hinten immer weiter auf die Pelle rückt.

Zwei Biker inmitten gewaltiger Felsformationen hoch über Cortina d'Ampezzo
Zwei Biker springen über eine Schanze hoch über Cortina d'Ampezzo

Zwei Biker auf der Tofanina Strecke im Cortina Bikepark

Zwei Biker beim Einsteigen in die „Col Drusciè

Warnschild im Cortina Bikepark

Maxi Dickerhoff fährt nicht einfach einen Trail. Er zelebriert ihn. Geschmeidig wie eine Raubkatze passt er sich dem Rhythmus des Trails an, zirkelt auf dem Vorderrad um die engen Kurven, drückt sich auf dem weichen Waldboden ab, als wäre es ein Trampolin, um dann im Tabletop über den nächsten Wurzelteppich zu segeln. Für einen Enduroprofi sind Trails wie dieser, roh und unangepaßt das tägliche Geschäft. Es stört ihn auch nicht, als uns ab der Hälfte des Trails das Gewitter volle Breitseite erwischt. Während ich mit meiner Gewitterangst und Sabine mit leichten Fahrtechnikproblemen auf nassen Wurzeln die Flucht Richtung Falzarego-Passstraße erwägen, entschwindet Maxi johlend im dichten Wald oberhalb von Cortina.

„Was ein schöner Ort – kaum zu glauben dass hier vor
100 Jahren so ein schlimmer Krieg getobt hat“
Steffi Marth

Als wir uns später – alle triefnaß – am Campingplatz wieder treffen, hat Maxi seine Meinung über die Region gründlich geändert. Eher widerwillig hatte er sich ein paar Tage zuvor für den Cortinatrip überreden lassen („schöne Landschaft, aber langweilige Trails“). Jetzt grinst er übers ganze Gesicht: „Ich bleib dann noch ein paar Tage länger“. Dabei sollte Maxi sein eigentliches Cortina-Sahnestück erst am nächsten Tag erleben: Die Strada de la Vena. Auch heute wildern wir wieder in fremdem Revier. Denn der Namensgeber für diese Tour liegt im Einzugsbereich von Alleghe, dem kleinen Dorf im Nachbartal. Der Weg dorthin ist einfach und extrem spaßig. Insgesamt vier Lifttransfers überbrücken gut 1000 Höhenmeter. Die 10er Kabinenbahn Cortina Skyline, erst vor zwei Jahren in Betrieb genommen, war das letzte Glied in der Kette. Zwischen der Bergstation des Sessellifts „Duca dÀosta“ und der Talstation der Skyline-Bahn ist erst vor kurzem der spaßige Flowtrail „Tofanina“ entstanden: 400 Tiefenmeter perfekt aneinander gereihte Kurven und Sprünge – der der krasse Gegensatz zu den rauen Naturtrails vom Vortag.

Zwei Biker auf sanften Almwiesen Richtung Strada della Vena
Große Fanes Alm, Naturpark Fanes-Sennes-Prags, MTB Dolomiten

Zwei Biker fahren im Duca d'Aosta-Sessellift auf dem Weg zum Gipfel im Cortina Biepark

Zwei Biker vor den Cinque Torri am Refugio Averau oderhalb von Cortina d'Ampezzo.

Der letzte Sessellift bringt uns zum Rifugio Scoiattoli, einen Steinwurf entfernt von den berühmten Cinque Torri. Von hier aus müssen wir bis zur Averau-Hütte selber treten. Sacksteile gut 100 Höhenmeter durch tiefen Schotter haben es in sich. Nicht nur die leckeren Schlutzkrapfen auf der Hütte, sondern auch die Aussicht entschädigt für die Plackerei:  Vom Joch aus blickt man in beide Täler: Im Norden Lagazuoi, Tofana, die Cinque Torri und das Cristallo-Massiv. Richtung Süden die mächtige Civetta, die noch vergletscherte Marmolada und die Sella-Gruppe. Die versammelte Prominenz der Dolomitengipfel breitet sich hier vor einem aus wie an kaum einem anderen Platz.

Allzu viel Zeit sollte man hier jedoch nicht mit Staunen verbringen. Denn es gibt noch einiges zu tun und die Zeit wird schnell knapp. Nach einem kurzen, steilen Schotterstück geht es scharf rechts in einen felsigen, etwas ausgesetzten Trail unterhalb der Türme des Averau-Massivs. Bald wechselt die Szenerie in ein liebliches Almgelände, das durch einen handtuchbreiten Singletrail durchzogen wird, als hätte man ihn genau hier hineingemalt. Ebenso wie das gewaltige Civetta-Massiv links und die Marmolada, deren Schneekrone rechts in der Sonne glänzt. Später treffen wir auf die Strada de la Vena. Der Namensgeber der Runde ist allerdings reichlich unspektakulär. Leider ist dieser uralte Versorgungsweg zu einer Eisenerzmine in den letzten Jahren verbreitert und begradigt worden, so daß sein einstiger Charme verloren ist. Nach einer Auffahrt auf Asphalt bringt uns der Federa-Sessellift wieder hoch zur Averau-Hütte, wo wir uns mit einem Espresso für 1200 Singletrail-Tiefenmeter zurück nach Cortina aufputschen.

„Von flach bis steil, von weit und offen bis Tunnelblick.
Cortina bietet unendliche Varianten.“
Maxi Dickerhoff

Tag drei: Wir hatten uns von Cortina über den Lago Federa und auf die Forcella Ambrizzola geschraubt und waren auf einsamen Traumtrails Richtung Alleghe abgefahren. Auf dem Rückweg hatten wir die Bikes vom Rifugio Averau 130 Höhenmeter zum Monte Nuvolau hochgetragen und geschoben. Wie ein Adlerhorst schmiegt sich hier das gleichnamige Rifugio an den Fels, die älteste Schutzhütte der Dolomiten. Der Gletscher der Marmolata und die Sellagruppe im Süden, die Türme der Tofana im Westen und die Cristallogruppe im Norden, tief unter uns der Passo Giau – kein Wunder, daß die Hütte im Krieg ein wichtiger Aussichtspunkt war. Die Abendsonne findet einen Spalt zwischen Hexenstein und Lagazuoi, und wirft ein mystisches Licht auf die Cinque Torri. Gerade als mein Hirnkino wieder ins Jahr 1917 spulen will, reißt Maxi mich aus den Gedanken: „Das ist der schönste Ort der Dolomiten.”

DIE SUPERTRAILS IN DIESEM REVIER


 

Zwei Biker auf dem Weg zur Forcella Abrizzola

Cortina – Forcella Ambrizzola


Wer auf grandiose Landschaften steht, bekommt bei der Forcella Ambrizzola-Tour feuchte Augen. Nach Überschreitung des Jochs bekommt man unfassbares Dolomiten-Panorama im ...
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41,8 km

08:25 h

↑ 2.252 hm
↓ 2.305 tm

400 hm

2.417 m

1.123 m

Cortina – Große Tofana Umrundung


Die Tofana Umrundung mit der Durchfahrung der Fanes-Hochebene gehört zu den MTB-Highlights in der Region rund um Cortina. Die Tofana Runde ist ein absoluter Klassiker. Normalerweise fährt man sie allerdings von ...
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49,8 km

07:10 h

↑ 2.045 hm
↓ 2.105 tm

600 hm

2.197 m

1.122 m

Cortina – Strada de la Vena


Auf den Spuren der Tansalp von Cortina zum Rifugio Averau und dann Richtung Alleghe. Die „Strada della Vena" ist ein Klassiker. Nicht nur wegen ihren unvergleichlichen Panoramen ...
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51,3 km

10:30 h

↑ 3.176 hm
↓ 3.265 tm

1.500 hm

2.417 m

1.123 m

TIPPS & INFOS


 

Das Revier

Cortina d Ampezzo gehört zur Provinz Belluno in Venetien und hat 5627 Einwohner. Spätestens seit den olympischen Winterspielen 1956 wurde Cortina als mondänder Wintersportort bekannt. Szenen in den der James Bond- (In tödlicher Mission) und Sylvester Stallone (Cliffhanger)- Filmen verhalfen Cortina maßgeblich zum heutigen Image. Für Biker hat Cortina einige Lifte der Cortina Ski-World geöffnet, mit denen man sich hoch zu den Cinque Torri oder der Faloria bringen lassen kann. Seit letztem Jahr werden in Cortina auch fleißig Trails gebaut. Der „Cortina Bike Park Dolomiti“ bietet ein Streckennetz von 14 Kilometern aller Schwierigkeitsgrade.

Essen und Trinken

Hochpreisig:
San Brite (1 Michelin star) – Chalet Tofane – Baita Pié Tofana – Al Camin – Da Aurelio – Dolomiti Lodge Alverà – El Camineto

Mittlere Preisklasse:
Ciasa Lorenzi – Pizzeria La Perla

Günstig:
LP26 – Birreria Hacker Pschorr – Ampezzo Pizza – Molo Pub

Hüttenübernachtung

Besonders morgens und abends gibt es hoch über Cortina die eindrucksvollsten Lichtstimmungen. Es lohnt sich daher, oben zu übernachten. Entweder im frisch renovierten Rifugia Averau (www.rifugioaverau.it) oder noch eindrucksvoller im Rifugio Nuvolau (www.rifugionuvolau). In beiden Hütten kann man auch hervorragend essen. Unbedingt lange vorher reservieren!

Camping

Etwas außerhalb von Cortina und direkt am Fluß liegen drei idyllische Campingplätze. Wir haben mit unserem Wohnmobil im Camping Rocchetta übernachtet. Sehr freundlich und sauber.

Direkt gegenüber: Camping Cortina mit eigener, guter und günstiger Pizzeria.

Von diesen Plätzen aus läuft man etwa 20 Minuten ins Ortszentrum.

Noch etwas weiter außerhalb gibt es noch den etwas gehobeneren International Camping Olympia

Wohnen (Bikerfreundlich)

Hotel Montana**
Relativ preisgünstig und mitten im Zentrum.

Ciasa Lorenzi***
Mitten in der City, sehr gutes Restaurant im Hotel.

Hotel Serena***
Relativ preisgünstig.

Hotel de la Poste ****
Elegant und im Stil eines Grandhotels mitten in der City.

Hotel de Len****
Neu eröffnet, modernes Designerhotel.

Weltkriegsmuseum

Durch die Berge oberhalb von Cortina verlief vor über 100 Jahren eine der am härtesten umkämpfte Frontlinie des ersten Weltkriegs. Die historischen Stätten hat man teils im Urzustand erhalten. Die Frontabschnitte Lagazuoi, 5 Torri, Sasso di Stria sowie der der Festung Tre Sassi am Valparola Paß bilden das größte Freilichtmuseum des ersten Weltkriegs. Die Begehung kostet keinen Eintritt. Besonders empfehlenswert ist eine Gondelfahrt auf den Lagazuoi. Von dort aus kann man durch die antiken Stollen nach unten wandern. (Bikes sind hier nicht erlaubt!)

Nachtleben

Clubs:
Belvedere, Bilbo, Hierbas

Bars:
Molo Pub, Faro Cocktail Bar, La Suite